Als Führungskraft Mitarbeiter mitnehmen?

By vertriebdigital

März 24, 2025


Als Führungskraft Mitarbeiter mitnehmen

Als Führungskraft Mitarbeiter mitnehmen

„Wir müssen unsere Mitarbeiter mitnehmen“ –
warum dieser Satz mehr schadet als nützt

In kaum einer Diskussion über Veränderungen fehlt er: der Appell, „die Mitarbeiter mitzunehmen“. Was als Ausdruck von Fürsorge und Verantwortungsbewusstsein daherkommt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als eine der größten Bremsen wirksamer Transformation. Vor allem im Top-Management lohnt sich ein kritischer Blick auf diese weitverbreitete Haltung.


Mitnehmen“ klingt empathisch. Wer will seinen Leuten nicht helfen, schwierige Veränderungen besser zu verkraften? Doch dieses Bild trügt. In Wahrheit wirkt es paternalistisch: Die Führungskraft wird zum Busfahrer, die Mitarbeitenden zu passiven Passagieren, die scheinbar ohne Steuerung hilflos bleiben. Das unterstellt, dass Erwachsene in Organisationen erst aktiviert werden müssen, bevor sie sich auf den Weg machen können.
Dabei zeigen zahlreiche empirische Erfahrungen das Gegenteil: Menschen wollen gestalten, Verantwortung übernehmen und auch unangenehme Situationen meistern – wenn der institutionelle Rahmen das zulässt. Lassen Sie uns mit diesem geschärften Blick auf zentrale Denkfehler blicken:


Denkfehler Nr. 1: Ein überholtes Menschenbild

Der Soziologe Douglas McGregor stellte bereits in den 1960er Jahren seine bekannte Theory X und Theory Y auf. Während Theory X davon ausgeht, dass Mitarbeitende kontrolliert und angeleitet werden müssen, weil sie träge und veränderungsresistent seien, geht Theory Y von Eigenverantwortung und Lernbereitschaft aus. Viele Organisationen scheinen in ihren Change-Prozessen noch immer nach Theory X zu handeln – obwohl die Realität der modernen Arbeitswelt längst Theory Y entspricht.


Denkfehler Nr. 2: Die Vermeidung von Verantwortung

Oft versteckt sich hinter der „Mitnehmen“-Mentalität die Angst, unangenehme Entscheidungen zu treffen und offen zu kommunizieren. Statt zu sagen „Wir haben eine Entscheidung getroffen – und das hat Konsequenzen“, wird der Fokus auf Dialogformate, Informationsveranstaltungen und Wohlfühlkommunikation gelegt. Change wird zur anschlussfähigen Story degradiert, die möglichst niemandem wehtun darf. Das erinnert an das bekannte Dilemma aus dem Change-Klassiker von John P. Kotter: „Ein brennendes Haus lässt sich nicht in einem Meeting löschen.“ Veränderung braucht Entscheidungskraft – nicht endloses Abholen.


Denkfehler Nr. 3: Die Komfortzone bleibt unangetastet & vorhandenes Wissen negiert

Wenn „Mitnehmen“ zur Maxime wird, wird die Organisation häufig zum stillstehenden Bus. Führungskräfte verheddern sich in Stakeholdermanagement und Change-Kommunikation, während der eigentliche Wandel stagniert. Die Konsequenz: Die Teams bleiben in ihrer Komfortzone. Es entsteht das Gefühl, dass Veränderung verhandelbar ist – doch echte Transformation braucht Mut zur Konfrontation.
Gleichzeitig braucht es Integration, denn die Mitarbeiter wissen oftmals besser als die Führung, woran das Tagesgeschäft krankt, welches Feedback Kunden geben und wie sich der Markt verändert hat. Dieses Wissen gilt es zentral in Veränderungsprojekte zu integrieren und die Mitarbeiter aktiv gestalten lassen.


Ein Praxisbeispiel: Transformation mit Klarheit statt Mitnahme

Eine mittelständisches Regionalbank stand vor der Herausforderung, ihr Geschäftsmodell angesichts der Digitalisierung neu auszurichten. Der CEO entschied sich bewusst gegen das klassische „Mitarbeiter mitnehmen“-Narrativ und setzte stattdessen auf radikale Klarheit: Bereits zum Start des Prozesses wurden Ziele, Auswirkungen und nicht-verhandelbare Eckpfeiler offen kommuniziert. Die Einladung an die Belegschaft lautete: „Hier ist unser Ziel – und wir brauchen Euch als Mitgestalter, nicht als Mitreisende.“

Die Folge? Weniger Widerstand als erwartet. Die Mitarbeitenden übernahmen in interdisziplinären Teams Verantwortung für Teilprojekte, und der Wandel verlief schneller als geplant. Der CEO resümierte später: „Wir haben die Leute ernst genommen, nicht bemuttert.“


Drei Impulse für das Top-Management 

  1. Führen Sie mit Haltung statt mit Harmonie: Klarheit schlägt Konsens. Seien Sie bereit, Entscheidungen auch ohne vollständige Zustimmung umzusetzen – und stehen Sie zu den Spannungen, die Veränderung mit sich bringt.

  2. Geben Sie Verantwortung zurück: Erwarten Sie von Ihren Führungskräften und Mitarbeitenden, dass sie Unsicherheit aushalten und aktiv gestalten. Gestalten Sie keine „Rundum-sorglos-Reise“, sondern ein Spielfeld, auf dem Verantwortung übernommen werden muss.

  3. Beenden Sie das „Change-Disneyland“: Weniger Event-Charakter, mehr Konsequenz. Nicht die Anzahl an Change-Formaten entscheidet über den Erfolg, sondern die konsequente Anpassung von Strukturen / Abläufen / Prozessen / Steuerungssystemen und Kompetenzen. Veränderung braucht einen passenden institutionellen Rahmen.

Fazit: Führung ohne Bevormundung

Top-Führungskräfte haben die Aufgabe, Organisationen nicht nur zu verwalten, sondern permanent den organisatorischen Rahmen auf die Kundenerwartungen auszurichten. Wer ständig „mitnehmen“ will, unterschätzt das Potenzial seiner Mitarbeitenden und blockiert die Selbstwirksamkeit der Organisation. Moderne Führung heißt: Orientierung geben, Verantwortung übertragen – und den Wandel nicht als Abstimmungsprozess, sondern als gemeinschaftliche Aufgabe zu begreifen.

Wie sagte der ehemalige IBM-CEO Lou Gerstner so treffend?

„People don’t do what you expect – they do what you inspect.“

Dr. Jürgen Weimann im Gespräch

Autor:

Dr. Jürgen Weimann

Professor für Digital Business Strategy und Managementberater

Prof. Dr. Jürgen Weimann ist Managementberater & Professor für Digital Business Straetgy an der DBU in Berlin. Mit seinem Credo „Jeder Einzelne ist von Bedeutung“ beschäftigt er sich seit über 25 Jahren mit der Frage: „Wie entsteht Begeisterung in Organisationen?“ Nach diversen Stationen in der Finanzindustrie begleitet er heute vor allem Kreditinstitute bei der Transformation ihres Geschäftsmodells. Als vom Manager Magazin zweimalig prämierter „TOP Consultant“ und Träger des „Best of Consultant“-Awards der Wirtschaftswoche, zählt er zu den renommiertesten Beratern seiner Branche. Mehr zu Dr. Weimann auf seiner Website unter juergenweimann.com

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