Verhandlungspsychologie im BtB-Bereich: Die überraschende Gemeinsamkeit mit einem Anleger an der Börse
In der Welt der BtB-Verhandlungen (Business-to-Business) geht es häufig um hohe Summen, komplexe Verträge und langfristige Partnerschaften. Doch selbst die erfahrensten Verhandler können in psychologische Fallen tappen, die ihre Entscheidungsfindung beeinflussen. Diese Stolpersteine, die aus der Börsenpsychologie bekannt sind, zeigen sich auch im Verhandlungsalltag. Sobald es um Geld und Macht geht, übernehmen oft Emotionen und irrationale Motive das Ruder.
Psychologische Einflussfaktoren in Verhandlungen
Festhalten am ersten Eindruck – Der Ankereffekt
Ein klassischer Fehler in Verhandlungen ist der Ankereffekt. Dabei lassen sich Verhandlungsführer oft zu stark von der ersten Information beeinflussen, die auf den Tisch kommt – sei es das erste Angebot oder die erste Forderung. Dieser „Anker“ prägt dann die gesamte Verhandlungsstrategie. In BtB-Verhandlungen kann dies dazu führen, dass sich die Verhandlungspartner zu sehr auf ein Angebot fixieren, auch wenn es nicht optimal ist. Dieses Verhalten ist vergleichbar mit einem Anleger an der Börse, der sich an einem bestimmten Einstiegspreis festhält und nicht flexibel genug ist, auf neue Marktinformationen zu reagieren.
Übermäßiges Selbstvertrauen – Der Overconfidence-Bias
Der Overconfidence-Bias tritt auf, wenn Verhandlungsführer zu selbstsicher sind und glauben, den besten Deal für ihr Unternehmen zu erzielen. Dieses übermäßige Selbstvertrauen kann jedoch gefährlich werden. Es kann dazu führen, dass wichtige Details übersehen oder Risiken unterschätzt werden. In BtB-Verhandlungen bedeutet das oft, dass man sich zu sehr auf frühere Erfolge verlässt und dabei übersieht, dass die aktuelle Situation anders sein könnte. Diese Denkweise erinnert an einen Anleger, der glaubt, den Markt „durchschaut“ zu haben, und deshalb unnötige Risiken eingeht – oft mit schmerzhaften Folgen.
Verlustangst – Die Verlustaversion
Die Verlustaversion ist ein weiterer psychologischer Faktor, der in Verhandlungen eine Rolle spielt. Niemand mag Verluste, und diese Angst kann Verhandler dazu bringen, ein vielversprechendes Angebot abzulehnen oder sich zu schnell mit einem weniger vorteilhaften Deal zufrieden zu geben, nur um Verluste zu vermeiden. Dies ähnelt dem Verhalten eines Anlegers, der eine Aktie zu früh verkauft, weil er Angst hat, dass der Kurs wieder fällt, anstatt auf eine höhere Rendite zu warten.
Gruppenverhalten – Der Herdentrieb
Der Herdentrieb beschreibt die Neigung, dem Verhalten anderer zu folgen, anstatt eigenständig zu entscheiden. In BtB-Verhandlungen zeigt sich dieser Bias häufig darin, dass Entscheidungen getroffen werden, weil sie in der Branche üblich sind, ohne sie kritisch zu hinterfragen. Das führt dazu, dass Chancen verpasst oder unnötige Risiken eingegangen werden. Vergleichbar ist dies mit Investoren, die während der Dotcom-Blase den Massen folgten und auf überbewertete Aktien setzten, was häufig in Enttäuschungen endete.
Falsche Annahmen – Der Spielerfehlschluss
Der Spielerfehlschluss beschreibt die irrige Annahme, dass frühere Ereignisse zukünftige Ergebnisse beeinflussen. In BtB-Verhandlungen könnte das bedeuten: „Unser Lieferant hat beim letzten Mal nachgegeben, also wird er das wieder tun.“ Diese Annahme kann zu überzogenen Erwartungen führen, die letztlich enttäuscht werden. Ein ähnliches Verhalten zeigt sich bei einem Casino-Spieler, der glaubt, dass nach mehreren Runden Rot endlich Schwarz kommen muss – ein Trugschluss, der zu falschen Entscheidungen führen kann.
Fehlende Flexibilität – Der Representativeness Bias
Der Representativeness Bias tritt auf, wenn wir uns zu sehr auf Muster aus der Vergangenheit verlassen und sie blind auf neue Situationen übertragen. In BtB-Verhandlungen könnte das heißen: „Das hat früher funktioniert, also wird es auch dieses Mal klappen.“ Doch jede Verhandlung hat ihre eigenen Regeln und Dynamiken. Diese Denkweise ist vergleichbar mit einem Börsenanleger, der davon ausgeht, dass eine Aktie weiterhin steigen wird, nur weil sie das in der Vergangenheit getan hat – ein teurer Trugschluss.
In der Komfortzone bleiben – Der Home-Bias
Der Home-Bias beschreibt die Tendenz, sich auf das Bekannte und Vertraute zu verlassen, anstatt neue Märkte oder Partner zu erkunden. In BtB-Verhandlungen bedeutet das oft, dass Unternehmen lieber mit den gleichen Lieferanten oder Partnern zusammenarbeiten, weil sie sich darin sicher fühlen – auch wenn es bessere Alternativen gibt. Dieses Verhalten ist vergleichbar mit einem Anleger, der nur in heimische Unternehmen investiert, weil er den internationalen Markt als zu riskant empfindet.
Selektives Hören – Der Confirmation-Bias
Beim Confirmation-Bias suchen wir nur die Informationen, die unsere bestehenden Überzeugungen bestätigen. In BtB-Verhandlungen kann das bedeuten, dass man nur die Aspekte sieht, die die eigene Position stärken, während wichtige Gegenargumente ignoriert werden. Dies ähnelt dem Verhalten eines Anlegers, der nur positive Nachrichten über eine Aktie liest und Warnsignale ausblendet.
Angst vor Reue – Die Regret-Aversion
Die Regret-Aversion beschreibt die Angst davor, eine Entscheidung zu treffen, die man später bereuen könnte. In BtB-Verhandlungen zeigt sich diese Angst oft darin, dass man zögert, neue oder ungewöhnliche Angebote anzunehmen, aus Angst, dass sich diese Entscheidung als Fehler herausstellen könnte. Dies ist vergleichbar mit einem Anleger, der eine vielversprechende Aktie nicht kauft, weil er befürchtet, dass der Kurs nach dem Kauf fallen könnte.
Was kann man tun, um diese Denkfehler zu vermeiden?
Egal, ob Sie in BtB-Verhandlungen oder beim Börsenhandel agieren: Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, sich dieser psychologischen Fallen bewusst zu sein. Wer seine eigenen Denkfehler erkennt und versteht, wie sie das Entscheidungsverhalten beeinflussen, kann klügere Entscheidungen treffen. Beim nächsten Verhandlungsgespräch sollten Sie sich die Zeit nehmen, Ihre eigenen Annahmen und Überzeugungen kritisch zu reflektieren. Fragen Sie sich, ob Sie gerade in eine dieser psychologischen Fallen tappen und ob Ihre Entscheidungen wirklich auf soliden Überlegungen beruhen.
Dieser kleine Moment der Selbstreflexion kann Ihnen helfen, klügere, strategischere Entscheidungen zu treffen und langfristig erfolgreicher zu sein – ohne unnötige Verluste oder verpasste Chancen. Denken Sie daran: Ihr größter Gegner in einer Verhandlung ist nicht unbedingt Ihr Verhandlungspartner – oft sitzt er in Ihrem eigenen Kopf. Mit dem richtigen Bewusstsein und etwas Selbstreflexion können Sie diese inneren Hindernisse überwinden und Ihre Verhandlungsstrategien auf ein neues Level heben.
Autor:
Ulrike Knauer
Speaker, Trainerin, Coach und Autorin
Ulrike Knauer ist Verhandlungsprofi aus Leidenschaft – und das seit über 30 Jahren in internationalen Verhandlungen und Marktaufbau. Bei ihr geht es nicht nur um die Technik der Akquise im im Vertrieb und Online Selling und Social Sale oder in einer Preis- oder Gehaltsverhandlung, sondern vor allem auch um die emotionale Vorbereitung von sich selbst und die Einschätzung des Gegenübers. Verhandlungs- und Vertriebspsychologie macht sie aus! Mit ihrer Methode entwickelt der Kunde die Lösung selbst. Kunden wollen am liebsten selbst kaufen, als etwas verkauft bekommen und wahres Interesse beim Gegenüber zu erzeugen verkauft. Der Kunde ist über das Internet immer besser informiert und Vertrieb, Verhandlung und Social Selling bedeutet Vertrauen und Kompetenz aufzubauen und dann erst zu verkaufen – auch digital.
Ihr Kontakt zur Autorin www.ulrikeknauer.com
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